Skip to main content

Zeugnisse - Einfach gut erklärt

© Text - Sandra Ottenbacher | Bild yootheme

Zeugnisse müssen nicht kompliziert sein.

Echt reicht.

Die Arbeitsgerichte in der Schweiz haben sich mit weitem Abstand am Häufigsten mit Streitigkeiten rund um das Arbeitszeugnis zu beschäftigen.

Nicht immer sind die Forderungen der ehemaligen Arbeitnehmer rechtens. Und nicht immer sind die ausgestellten Zeugnisse rechtens. Manchmal entsteht gar der Eindruck, man nutze dies Dokument noch als letzte Klatsche dem ehemaligen Arbeitnehmer gegenüber. Eine unschöne und gar unreife Haltung ehemaliger Führungsleute.

Viele Ärgernisse auf beiden Seiten des Angestelltenverhältnisses könnten vermieden werden, würden die Arbeitgebenden ein paar einfache und umsetzbare Regeln beim Erstellen von Arbeitszeugnissen anwenden.

Neben den formellen Kriterien, welchen ein Zeugnis folgt, gilt es die 4 Grundsätze bei der Erstellung von Zeugnissen zu berücksichtigen, die sich – zugegebenermassen – teilweise gegenseitig torpedieren. Wir versuchen hier ein paar nachvollziehbare Beispiele aufzuzeigen.

Grundsatz 1

Das Arbeitszeugnis muss vollständig sein

Neben all den jobrelevanten Aufzählungen (Tätigkeit, etc.) ist es gegeben, dass es die ganze Zeit der Anstellung widerspiegelt, heisst über die Art und Dauer Auskunft gibt.

Darin sind auch Beförderungen, Aufgabenveränderungen etc. aufzuführen. Und die entsprechenden Qualifikationen von Leistung und Verhalten.

Würden Teile der Anstellung hier nicht erwähnt, müsste von Auslassungen – oder auch einer Codierung – ausgegangen werden.

Grundsätzlich gilt, dass die gesamte berufliche Entwicklung beim entsprechenden Arbeitgeber in einem Dokument ersichtlich ist – Verweise auf Zwischenzeugnisse sind nicht gestattet, aber leider weit verbreitet.

Grundsatz 2

Das Arbeitszeugnis muss wahr sein

Bedeutet, dass selbstverständlich auch Verfehlungen der ehemaligen Arbeitnehmenden darin Niederschlag finden können.

Entgegen der landläufigen Meinung, es dürfen keine negativen Arbeitszeugnisse ausgestellt werden. Doch. Man darf. Und man muss.

Warum und unter welchen Umständen muss man auch negative Vorkommnisse erwähnen?

Grundsätzlich haftet ein bisheriger Arbeitgeber für seine Zeugnisangaben. Und dies könnte dann schon mal teuer werden. Wenn Wahrheiten verschwiegen werden.

Beispiel. Der ehemalige Arbeitnehmende arbeitete im Verkauf an der Kasse, aus derer er sich nun bediente. Abgesehen vom strafrechtlichen Tatbestand ist es nun gegeben dies auch im Zeugnis zu erwähnen. Warum?

Würde es unterlassen, dies zu erwähnen und der ehemalige Arbeitnehmende führt seine Gewohnheit beim nächsten Arbeitgeber weiter und dieser erfährt von der unterlassenen Mitteilung, könnte er bei vorigen Arbeitgeber für den entstanden Schaden (und dieser beläuft sich nicht nur auf die Deliktsumme) Regress nehmen.

Eine Möglichkeit solche Vorkommnisse zu beschreiben, sind sogenannte Brückenformulierungen.

Hingegen würde eine Erwähnung von gelegentlichem Zuspätkommen – auch wenn es wahr ist – sich im Zeugnis nicht wirklich gut machen und wäre auch anfechtbar. Die Frage, die sich hier Aussenstehende stellen, wäre: Warum wurde dies nicht während des Anstellungsverhältnisses thematisiert und bereinigt?

Es gilt abzuwägen, welches Verhalten, welche Leistung tatsächlich dem Wahrheitsgebot entsprechend erwähnt werden darf und muss.

Grundsatz 3

Das Arbeitszeugnis muss charakteristisch sein

Und dies sowohl für die Tätigkeit, wie auch für den ehemaligen Arbeitnehmenden.

Der Charakter der Stelle/Tätigkeit gemäss muss das Zeugnis abgefasst sein heisst, eine Führungsfunktion nur in wenigen Sätzen abzubilden würde gegen diesen Grundsatz verstossen und könnte zu fehlerhaften Interpretationen führen. Gleiches gilt bei überschwenglichen Formulierungen für eher weniger qualifizierte Tätigkeiten.

Was bedeutet nun charakteristisch gemäss dem ehemaligen Stelleninhabers? Jeder Mensch hat Anrecht darauf, dass seine Individualität innerhalb seiner Tätigkeit berücksichtigt wird. Von durchwegs pauschalen Beurteilungen ist daher Abstand zu nehmen.

Grundsatz 4

Das Arbeitszeugnis muss klar sein

Ist das nicht bereits mit Grundsatz 2 abgedeckt? Nein. Klarheit im Arbeitszeugnis bedeutet, dass einerseits eine gut verständliche Sprachformulierung verwendet wird, die keinen Interpretationsspielraum erlaubt und andererseits, dass keine Codierungen und Auslassungen darin enthalten sind.

Codierungen sind Äusserungen, die zwar gut tönen, aber genau das Gegenteil bedeuten. Nachzulesen im www mit vielen Beispielen.

Auslassungen sind Teil der Codierungsunsitten, wenn man lieber etwas nicht erwähnt und unter den Tisch fallen lassen möchte, als sich mit einer korrekten Formulierung auseinanderzusetzen. Und allfällig auch Diskussionen mit dem ehemaligen Mitarbeitenden zu vermeiden sucht.

Auch wenn es bereits weit verbreitet ist:

Der Hinweis, dass ein Zeugnis keine Codierungen enthält und transparent abgefasst ist, bedeutet in erster Linie, dass das Unternehmen sich dieses Prädikat gibt. Es ist weder rechtlich bindend, noch muss es den Tatsachen entsprechen.

Der über allem stehen Grundsatz zum Schluss

Ja, kommt denn da noch mehr? Ja.

Die 4 Grundsätze sind noch relativ einfach umzusetzen, wenn man sich etwas damit auseinandersetzt. Doch über all dem steht in arbeitsrechtlicher Hinsicht noch ein wesentlicher Grundsatz:

Das Arbeitszeugnis darf das berufliche Fortkommen des ehemaligen Arbeitnehmenden nicht behindern.

So, und jetzt haben wir den Salat. Könnte man meinen.

Nehmen wir das Beispiel mit dem Griff in die Kasse. Nun. Als Mitarbeitender mit Bargeldverantwortung könnte eine zukünftige Tätigkeit wohl kaum mehr in Frage kommen. Doch ist damit das berufliche Fortkommen behindert? Nein.

Hier kommt wieder die Brückenformulierung ins Spiel (nachzulesen im www).

Der bisherige Arbeitgeber sollte ja alle Qualifikationen der austretenden Person kennen und kann dementsprechend zukünftige Arbeitgeber auf mögliche Hindernisse und auch berufliche Einsatzmöglichkeiten hinweisen.

Kurz & knackig

Vollständigkeit: Art & Dauer, beruflicher Entwicklungsweg innerhalb der Anstellung inkl. Beurteilung über Leistung und Verhalten.

Wahrheit: Auch negative Vorkommnisse, sofern sie arbeitsrelevant und gar strafrechtlicher Natur sind, müssen erwähnt werden. Brückenformulierungen beachten.

Charakteristisch: Das Arbeitszeugnis muss zur Tätigkeit passen und gleichzeitig die Individualität des ehemaligen Arbeitnehmenden abbilden.

Klarheit: Es gilt ein Arbeitszeugnis abzufassen, das weder codiert noch unverständlich formuliert ist und dem Lesenden ein Bild über die gesamte Anstellung liefert. Hilfreich sind kurze und unmissverständliche Äusserungen.

Wohlwollend: Der ehemalige Arbeitnehmende hat nicht nur Lohn für seine Arbeit erhalten. Ihm steht auch ein respektvolles Arbeitszeugnis zu, dass sein berufliches Fortkommen nicht behindert, doch allenfalls in andere Richtungen lenkt.

Ach noch was: Ein Dank zum Schluss und gute Wünsche für die Zukunft sind immer willkommen! Und vergessen Sie nicht, das Dokument eigenhändig zu unterschreiben. Und vermeiden Sie Schreibfehler.

Hinweis:

Ein Arbeitszeugnis auszustellen ist Führungsarbeit und gehört zu den Fürsorgepflichten des Arbeitgebers. Meist bereits dank jährlicher Qualifikation berücksichtigt. Damit fällt es leichter – allenfalls in Zusammenarbeit mit der Personalabteilung – Zeugnisse arbeitsrechtlich korrekt zu erstellen.

Warum es nicht klug ist, sich auf eine Arbeitsbestätigung zu beschränken, dürfte aus genannten Grundsätzen klar ersichtlich sein. Aus gleichen Gründen sollten Gefälligkeitszeugnisse vermieden werden.

Sind Sie als ehemaliger Arbeitnehmer unsicher, ob Sie ein korrekt abgefasstes Zeugnis erhalten haben, oder Sie als Führungskraft bei der Erstellung? Fragen Sie einen Profi.

Wenn man den Dreh raus hat, wie Arbeitszeugnisse gut und einfach zu erstellen sind, erspart man allen Beteiligten viel Ärger.

Unsicher? Holen Sie sich einen Profi, bevor ‚das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird‘.