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Wenn Chef's die besten Bewerber ablehnen

© Text & Bild - Sandra Ottenbacher

Führungskultur, die schadet

In meiner Zeit als Personalverantwortliche habe ich naturgemäss viele Stellenbesetzungen mit meinen Linienvorgesetzen vorgenommen. Was ich damals alles erlebte, kann ich auch aus zeitlicher Distanz noch immer nicht vollständig nachvollziehen. Und offenbar geht es – trotz des vielzitierten Fachkräftemangels – vielen meiner Fachkollegen heute immer noch so:

Die besten Bewerber bleiben dank dem Veto der Linie auf der Strecke. 

Als personalverantwortliche Person wird man in solchen Fällen schon mal gelinde gesagt ‚gefrustet‘. Schliesslich sind Rekrutierungen immer zeitaufwändig und mit viel organisatorischem Geschick und menschlichem Gespür verbunden.

Auch wenn – was ich nicht in jedem Fall gutheisse – seit einigen Jahren automatisierte Prüfungen von Bewerbungen bereits viele Kandidaten ‚ausmustern‘, so bleibt immer noch viel Arbeit im Rekrutierungsprozess zu erledigen. Von der investierten Zeit mal ganz abgesehen.

Der Umgang mit Bewerbern ist eine heikle Angelegenheit, die dabei nicht unbeachtet gelassen werden darf. Passieren hier grobe Schnitzer, wirkt sich dies direkt auf das Image der Unternehmung aus.

Das Employer Branding steht auf dem Spiel. Und hat man dann wahrlich den sogenannten ‚dicken Fisch‘ endlich einmal an der Angel, wird dieser dann vom Chef abgelehnt. Ja, dann versteht man einfach die Welt nicht mehr.

Ich hab mich immer schon gefragt, warum CEO’s diese Vetos und deren Konsequenzen dulden.

Finanzielle Einbussen & weitere Schäden

Schliesslich führt die Haltung mancher Linienvorgesetzten geradezu zu Fehlentscheidungen bei der Personalauswahl und damit zu erheblichen finanziellen Einbussen der Unternehmung.

Nach wie vor gilt immer noch der Grundsatz, dass eine Fehlbesetzung die Unternehmung einen Jahreslohn oder mehr kostet. Und mögliche Kundenabwanderung, schlechteres Firmenimage und Employer Branding-Einbussen sind dabei ebenso wenig miteingerechnet, wie Kollateralschäden unter der direkt betroffenen Belegschaft.

Und umso mehr bin ich noch immer erstaunt darüber, dass gerade der finanzielle Aspekt scheinbar noch immer nicht überall zieht.

Auch und gerade, wenn man bedenkt, dass vielen Unternehmungen auch die geopolitischen Ausrichtungen vehement zu schaffen machen. Auch, wenn durch personelle Fehlentscheide nicht nur die Produktivität und das Auftragsvolumen erheblich leidet, sondern in der Folge davon auch ganz massiv die Wirtschaftlichkeit der Unternehmung. Wirklich, das will mir immer noch nicht in den Kopf.

Unsichere Führungskräfte?

Was also stimmt in den Führungsriegen vieler Unternehmungen noch nicht, dass die besten Bewerber nicht an Bord geholt werden (können)?

Die finanziellen Aspekte und vermeintliche Überqualifizierungsgründe müssen zwar häufig als Erklärung herhalten, sind jedoch in den seltensten Fällen wirklich ein Killer-Kriterium. Grundsätzlich müsste jede Unternehmung doch jubeln, wenn sie mehr geboten erhält, als verlangt.

Doch welche Gründe lagen und liegen dann wirklich vor? Weswegen verweigern manche Linienvorgesetzte einfach ihre Zustimmung zu den besten Bewerbern?

Erfahrungen zeigen häufig eine Unsicherheit der Vorgesetzten.

Gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit will ‚man‘ sich ja nicht die ‚Konkurrenz ins Haus‘ holen oder sich ‚am Stuhl sägen lassen‘. Es geht schliesslich um den eigenen Job, den eigenen Status sowohl intern wie auch im privaten Umfeld. Ängste von Führungskräften waren und sind weit verbreitet.

Speziell dann, wenn es sich um Chefs handelt, die oft lediglich aufgrund ihrer langjährigen und oft auch verdienten Zugehörigkeit oder ihrer fachlichen Fähigkeiten wegen ‚die Leiter raufgepurzelt‘ sind. Nach wie vor kein guter Ratgeber für Beförderungen und doch nach wie vor keine Seltenheit.

Diese Chefs sind fachlich erfahrungsgemäss absolut top. Führungstechnisch darf man meist ein grosses Fragezeichen in den Raum stellen.

Führungsqualitäten sind das A und O

Doch darum geht es ja gerade: Was wir in unserer Wirtschaft dringend benötigen, sind Führungskräfte, die den Namen auch wahrlich verdienen.

Das A und O für den Einsatz als Chef ist, ob jemand überhaupt über Führungsqualitäten verfügt.

Ob jemand fähig ist, mit Weitsicht, Empathie, Drive und fachlichem Können, die Abteilung oder das Projekt erfolgsorientiert zu leiten.

Ob jemand bereit und in der Lage ist, die Verantwortung für die Mitarbeitenden UND den eigenen Fachbereich zu übernehmen.

Dazu braucht es Persönlichkeitseigenschaften, die nicht jeder hervorragenden Fachkraft in die Wiege gelegt wurden. Und die auch nicht jede Fachkraft in der Lage sein wird zu entwickeln.

Lösung?

Den Stellenwert einer Fachlaufbahn verbessern

Wenn es gelingt, den Status der Fachlaufbahn als gleichwertig derjenigen der Führungslaufbahn in Unternehmen zu etablieren – und dies sowohl in monetärer, wie auch hierarchischer Hinsicht – werden viele sich eher für eine Fachlaufbahn entscheiden.

Damit werden mehr als nur Fehlentscheidungen bei Einstellungen vermieden. Doch dazu mehr im Artikel: „Wären Sie ein besserer Chef?“.

Wenn also die besten Bewerber in Zukunft nicht mehr dem Veto des Vorgesetzten ausgeliefert sein sollen, muss ein Umdenken stattfinden.

Ein Umdenken in Bezug auf Führungsqualitäten und Manager-Weitsicht.

Ein Umdenken auf Geschäftsleitungsebene.

Ein Umdenken, das im nachhaltigen Unternehmenserfolg sichtbar wird.