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Die Regel des heiligen Benedikt in der modernen Unternehmensführung

© Text - Sandra Ottenbacher | © Bild mit freundlicher Unterstützung von Remo Dörler - Mirimor.ch

Was Führungskräfte von Benediktinermönchen aus dem Mittelalter lernen können

Vor einiger Zeit besuchte ich ein für mich auffrischendes Referat.

Anselm Bilgri – ehemaliger Benediktinermönch und Cellerar – beschrieb darin, was Führungskräfte heute von den Mönchen des Mittelalters lernen können. Obwohl ich die Regel des heiligen Benedikt schon einige Jahre und auch das Buch des Benediktinermönchs Anselm Grün ‚Menschen führen – Leben wecken‘ kenne und schätze, brachte mich der Vortrag von Anselm Bilgri wieder mal zu deren Wurzeln.

Anselm Bilgri sprach über Werte, die heute in ihrer Bedeutung wohl missverstanden würden. Doch geht man ihrer Wortbedeutung wirklich auf den Grund, haben sie eine Aktualität, die wir unbedingt wieder in unseren ‚Führungs‘-Alltag einbringen sollten.

Was macht erfolgreiches Führen wirklich aus?

 

Gehorsam

Einerseits braucht es den ‚Gehorsam‘ – und dabei ist nicht unbedingt jener der Mitarbeitenden gemeint.

Denn im Mittelteil des Wortes ‚Gehorsam‘ steckt das Wort ‚Horchen‘ drin. Die Führungskraft muss zuhorchen, was ihre Mitarbeitenden bewegt. Horchen unterscheidet sich hier klar vom Hören. Horchen ist aktives Zuhören. Hören tut man sowieso. Doch sich aktiv darum bemühen, auch Zwischentöne wahrnehmen zu können, teilzunehmen, was den Mitarbeitenden bewegt, dies ist die Grundbedeutung des Horchens. Die Führungskraft sollte daher ZU-horchen. Und sie muss es ständig tun. Und nicht nur hin und wieder als Alibiübung. Und sie muss annehmen können, was sie vernimmt. Nur so ist sie in der Lage, veränderte Stimmungen schnell und zuverlässig zu erkennen und entsprechend handeln zu können.

Es ist wichtig, bei allen Mitarbeitenden hin-zu-horchen – auch bei jungen und noch unerfahrenen. Denn genau sie bringen Eindrücke mit, die bei ‚Alteingesessenen‘ schon aus deren Blickwinkel verschwunden sind. Diese Eindrücke sind Grundlage für Innovation. Und Innovation entsteht nur in Grenzgebieten. Niemals im Innern. Nur, wenn sich Innen und Aussen ‚aneinander reiben‘, kann Neues entstehen. Denken Sie einfach an Kolumbus. Obwohl die gesamte Menschheit damals glaubte, die Welt sei eine Scheibe, hat er sich an die Grenzen gewagt. Der Rest ist Geschichte.

Demut

Was es laut Bilgri zudem benötigt, sei ‚Demut‘. Das mag jetzt ziemlich altmodisch klingen und mit moderner Führung so gar nicht kompatibel. Aber gerade eine Führungskraft müsste schon ‚dienen‘ können. Wie ist das gemeint? Gehen wir einen Schritt zur Erklärung des Wortes weiter: In der Schweiz heissen Messdiener, Ministranten.

Greift man dieses Wort in seiner Bedeutung auf, wären Minister also Diener. Diener des Staates. Und des Volkes. Ob sie es dann tatsächlich sind? Wir alle haben in den letzten Jahren sehr wohl mitbekommen, dass die Realität sich nicht an den Wortursprung hält.

Doch zurück zu den ‚Ministern‘ der Unternehmung. Eine Führungskraft in einer Unternehmung sollte genau dies sein: Ein Diener der Unternehmung UND den Mitarbeitenden gegenüber.

Wie soll nun ‚Demut‘ in einer modernen Unternehmung umsetzbar sein?

Als Führungskraft muss es für mich doch eigentlich fraglos wichtig sein, dass meine Mitarbeitenden ihre Aufgaben problemlos und effizient erledigen können. Ich muss also dafür besorgt sein, dass sie über alle für ihre Aufgaben wichtigen Materialien, Informationen, Werkzeuge und ähnliches verfügen und dies immer zur richtigen Zeit.

Dem Unternehmen dient eine Führungskraft nachweislich dann am besten, wenn sie die ihr übertragenen Aufgaben mit ihren Mitarbeitenden im Sinne der Unternehmung ausführen kann und dabei auch Mut beweist (als zweite Komponente des Wortes DeMUT), allenfalls auch einmal unkonventionelle Wege zu gehen.

Also ist Demut – auch wenn das Wort altmodisch klingen mag – ein immens wichtiger Faktor für den Erfolg einer Führungskraft und der Unternehmung.

Discretio

Als dritter Wert nannte Anselm Bilgri ‚Discretio‘, was in keiner Weise mit unserem heutigen Wort ‚Diskretion‘ übersetzbar ist.

Vielmehr bedeutet es, den Menschen in seiner Einzigartigkeit wahrnehmen und wertschätzen. Ihn in seiner Unterscheidbarkeit von anderen Menschen erkennen und ihn entsprechend fördern und einsetzen.

Dazu benötigt eine Führungskraft naturgemäss viel Einfühlungsvermögen – neudeutsch auch Empathie. Dies ist wohl einer der Werte, die in vielen Unternehmungen nicht mehr ganz up-to-date zu sein scheinen. Vielfach ist wohl eher die Rede davon, jeder sei austauschbar. Leider, denn:

Gerade im Wert ‚Discretio‘ liegt das enorme Potenzial einer Unternehmung. Das Erkennen der Unterschiede und der Einzigartigkeit der Mitarbeitenden. Wer dies auf hohem Niveau beherrscht und auch zum Wohle aller umzusetzen vermag, hat hier ganz klar auf dem Markt die Nase vorn.

Anm.: Die Aufgabe eines Cellerar im Kloster der Benediktiner ist, sich um die wirtschaftlichen Belange des Klosters zu kümmern. Dazu gehören neben der Finanzverwaltung auch der Handel, die Lagerhaltung und als wichtigster Aspekt die gesamte Wirtschaftsführung.

Die Lektüre von Anselm Grün‘s „Menschen führen – Leben wecken“ gehört meines Erachtens zur 'Ausbildung' einer Führungskraft.

Ein Buch, welches mit seiner klaren Botschaft zum täglichen Werkzeug erfolgreicher Führungskräfte werden kann. Quasi ein Muss es zu lesen und anzuwenden.

Drei Werte aus dem Mittelalter, die heute nach wie vor ihre Gültigkeit und durchaus auch ihre Berechtigung in der Unternehmensführung haben.

Es lohnt sich, sich ihrer nicht nur bewusst zu werden, sondern sie gezielt im Arbeits-Alltag als Führungskraft einzusetzen.